Internationales Reitturnier 2022 in Tunbridge Wells

                                     

Schon beim ersten Reitturnier der Partnerstädte im Jahr 1984 sei sie dabei gewesen, und seitdem habe sie ganze Generationen von Reiterfamilien kennengelernt, nicht nur beim Reiten an den Wettkampftagen selber, nein, man sei sich im Laufe der Jahre eben sehr nahe gekommen, habe sich auch gegenseitig besucht, wie in einer richtigen Familie halt. Natürlich reite sie auch heute noch, dreimal in der Woche, die Liebe zu den Pferden habe ihr Leben bis heute geprägt und sie nicht losgelassen.

So sprach Sheila Winter aus Tunbridge Wells, die hochbetagte, aber quicklebendige und rüstige „Grand Dame“ des städtepartnerschaftlichen Reitturniers, das in diesem Jahr zum 33. Mal stattfand. Außer ihr war noch ein zweites Gründungsmitglied dieses internationalen Turniers nach England gekommen, Christoph Eiser aus Taunusstein-Neuhof, der ebenso begeistert von den vielen Wendungen berichtete, die das jährliche Zusammentreffen der Dressur- und Springreiter in seiner fast 40-jährigen Geschichte durchlaufen hat.

Dressurreiten am Vormittag

Aus Wiesbaden und seinen Partnerstädten Tunbridge Wells und Ljubljana sowie aus Chemnitz, das mit Ljubljana verschwistert ist, waren die Dressur- und Springreiter vom 24. – 28. August 2022 in den „Garten Englands“ gekommen, um sich nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause endlich wieder in freundschaftlichem Wettkampf miteinander zu messen. Und um alte Freundschaften aufzuwärmen und neue Freundschaften zu schließen. Obwohl, das „Team  Ljubljana“ war in diesem Jahr, um ehrlich zu sein, ein rein englisches Ersatzteam, denn die slowenischen Sportler konnten aus Termingründen leider nicht teilnehmen. Ganz im Geiste der Städtepartnerschaft hilft man sich aber gegenseitig aus, wenn mal ein Reiter zu wenig gekommen ist, oder eben auch mal ein ganzes Team fehlen sollte.

Team Ljubljana

„Nein, Nachwuchsprobleme haben wir keine“, so der Chef d’ Equipe des Wiesbadener Teams, Joachim Schwering aus Flörsheim. „Gerade die jungen Leute müssen wir doch an die Wettkämpfe und auch an die Städtepartnerschaft heranführen.“ Er hatte das jüngste Team mit nach Tunbridge Wells gebracht, in dem neben der erfahrenen Josie Nord auch die beiden jungen Schülerinnen Antonia Pichotta und Ella Brokey-Rogers mit von der Partie waren. Und die sich dann im Wettbewerb hervorragend schlagen sollten.

Team Wiesbaden

Denn bei aller Freundschaft ging es natürlich auch darum zu gewinnen. Da gab es zuerst das Dressurreiten der Teams, von denen die jeweils Besten dann in einer zweiten Runde um den Sieg kämpften, und dann gab es in derselben Reihenfolge das Springreiten, bei dem es dann sehr spannend, ja fast schon dramatisch zugehen sollte. „You can lead a horse to water but you can’t make it drink“, so kommentierte Mike McGeary vom Partnerschaftsverein Tunbridge Wells das Verhalten einiger Pferde, die manchmal einfach nicht springen wollten. Kein Wunder, denn Pferde und Reiter kannten sich nicht, wurden zugelost und hatten nur wenige Minuten Zeit, um sich kennenzulernen. So ist das immer schon gewesen beim Reitturnier der Partnerstädte: Die Pferde werden stets von den Gastgebern gestellt, damit nur die Reiter die weite Reise antreten müssen.

Team Tunbridge Wells

Umso mehr Respekt verdienen die Leistungen der anwesenden Sportler, die sich als Teamplayer und Individualsportler, als Dressur- wie als Springreiter beweisen mussten. Das „Team Ljubljana“ (Marnie Bassi, Betsy Davis und Tania Guiness) überzeugte die Kampfrichter beim Wettbewerb der Mannschaften und holte sich den 1. Preis. Bei der Wertung der kombinierten individuellen Leistungen gewann Laura Jones aus Tunbridge Wells den 1.Preis, Betsy Davis vom „Team Ljubljana“ den 2. Preis und die junge Schülerin Ella Brokey-Rogers aus Wiesbaden holte sich den 3. Preis. Congratulations!

Team Tunbridge Wells

Das Ergebnis des Turniers sollte erst am Abend des Wettkampftages bekanntgegeben werden, im „Royal Wells Hotel“ beim großen „prize-giving dinner“ in Anwesenheit von Godfrey Bland, dem Bürgermeister von Tunbridge Wells. Der hatte es sich nicht nehmen lassen, beim Turnier mit Amtskette Präsenz zu zeigen und den Wettkämpfern Mut zuzusprechen. Und am Tag vor dem Turnier hatte er zu einem Empfang im Rathaus eingeladen und den Abgesandten der „vier“ Partnerstädte damit seine Wertschätzung für ihr Engagement entgegengebracht.

Überhaupt, das Rahmenprogramm der viertätigen Veranstaltung konnte sich sehen lassen, denn neben einer Stadtführung in Tunbridge Wells stand ein Besuch des Naturkundemuseums und der „Royal Mews“, der königlichen Ställe in London, auf dem Programm. Und abends trafen sich die Reiter und ihre „Fangemeinde“ dann meist zu einem Barbeque hier oder zu einem „supper“ dort. All das musste natürlich auch organisiert werden. Jan Carmichael aus Tunbridge Wells, die Vorsitzende des Organisationskomitees für das Reitturnier, muss an dieser Stelle genannt werden, denn ohne ihren großen und unermüdlichen Einsatz hätte der Wettkampf nicht stattfinden können, wie Mike McGeary glaubhaft versicherte.

Helfende Hände überall

Und so bleibt ein durch und durch positiver Eindruck vom 33. Internationalen Reitturnier der vier Partnerstädte in Tunbridge Wells zurück. Ein fröhliches und zugewandtes Treffen ist es gewesen, auf dem sich Deutsche und Engländer, fernab jeglicher „großen“ Politik, sportlich und fair begegneten und einfach Spaß miteinander hatten. Ist das nicht genau der Sinn einer Städtepartnerschaft, wenn sich die Bürger zweier oder mehrerer Städte freundschaftlich begegnen und dem großen Wort „Völkerverständigung“ damit eine ganz praktische Bedeutung verleihen?

Team Chemnitz

Dass es nicht nur sprichwörtlich familiär zuging auf diesem Turnier, ließ sich am besten am Team aus Chemnitz ablesen. Drei Generationen der „Fröhlich-Familie“ waren vertreten, Anne und Ronny als Reiter im Team, Ronnys Mutter Elke als Chef d´Equipe, und dann war auch schon der siebenjährige Enzo dabei, der Sohn von Anne und Ronny. Ob er bitte auch sein „Autogramm“ da hinten auf das Programmheft schreiben könnte? Das ließ sich der jüngste Fröhlich-Spross nicht nehmen und schrieb seinen Namen mit riesigen Buchstaben dort hin. „Na klar, ich bin auch bald dabei!“ Keine Frage, um die Zukunft dieses Turniers ist es gut bestellt, wenn man an die vielen jungen Leute denkt, die hier in England dabei waren.

Friedrich Schrecker, 29.08.2022